Oft gestellte Fragen:
Was meint «Honigwort»?
Den Begriff «Honigwort» habe ich erfunden, um in dir eine Stimmung und Vorstellung davon zu schaffen, was für mich Erzählarbeit alles vereint.
Honig ist das kostbare, flüssige Gold des fleissigen Bienenvolkes.
- Erzählen ist kostbar, weil es Menschen verbindet. Es schafft Realität, gibt Mut, zeigt Handlungs- und Entwicklungswege auf.
- Geschichten wollen fliessend erzählt sein.
- Die Farbe des Honigs – gold, gelb – vermittelt eine sonnige Wärme, die dem Gemüt gut tut. Genau wie Geschichten.
- Märchen und Geschichten aufzubereiten bedeutet auch Fleiss: Von der Auswahl der stimmigen Märchen, bis zur Wahl der Worte und der klanglichen Begleitung.
- Das Bienenvolk ist ein Sinnbild für die Gemeinschaft: Erzählen stärkt das Menschsein und die Gemeinsamkeiten.
Warum Märchen erzählen?
Unser Leben besteht aus Erzählungen
Geschichten formen unsere Biografie und unsere Persönlichkeit, sie sind essenziell für das menschliche Leben und Sein.
Märchen erzählen in Bildern über die Wunder und Stationen des Lebens: Es sind Geschichten von menschlicher Reifung, von Übergängen und Prüfungen. Momente der Instabilität oder Disharmonie werden überwunden, bis die Held:innen in ihrer Kraft erstrahlen. Diese Bilder wirken tief in uns, tun wohl und können auch neue Erkenntnisse bringen.
Märchen erzählen und lauschen ist wunderbar, um
- sein inneres Kind zu nähren
- das Herz und seine innere Stimme zu hören
- das Träumen und Wünschen zu praktizieren
- die Alltagshektik zu entschleunigen
Ein kleines Ausrufezeichen sei jedoch hinzugefügt: Märchen ist nicht gleich Märchen. Die Märchenwelt ist enorm riesig und motivisch vielfältig! Es gibt nährende, bereichernde, zauberhafte, aber auch grausame, wirre, seltsame Märchen. Wenn man sich entschliesst, ein Märchen zu erzählen, ist es immer wichtig, sie vorab genau anzuschauen. Passt es zu mir? Zur Zielgruppe? Was für Themen stösst es an?
Ich muss meist sehr lange und hartnäckig suchen, bis ich die Märchen finde, die ich erzählen möchte. Dann beschäftige ich mich mit ihnen, schreibe sie in meine Worte und gehe mit ihrer Symbolik in die Tiefe.
Warum Märchen für Erwachsene?
«Ah, du erzählst gar nicht für Kinder? Warum denn?»: Das höre ich besonders oft, und ich antworte dann jeweils etwas rebellisch:
«Damit sich diese Frage erübrigen darf»
Als Norm zeigt sich nämlich, dass Geschichten in die Kinderstube gehören. Ich möchte das hinterfragen und mit meinen Angeboten für Erwachsene erfahrbar machen, dass es gerade uns «Grossen» gut tut, in Märchenwelten einzutauchen.
Märchen wirken ausgleichend und entspannend auf das erwachsene, rationale Denksystem
Doch passen sie scheinbar nicht in unser Denkschema. Kinder lieben es ja, Geschichten zu lauschen, ob auf Kassettli oder hautnah erzählt. Es ist eine wahre Freude, wie sie zuhören können. Bis ins Alter von etwa 5 Jahren ist das magische oder mythische Denken im Kind wach, was später vom rationalen Denken nach und nach abgelöst wird. In dieser Zeit sind Kinder besonders empfänglich für die Welten, in welche Märchen sie tragen, denn sie denken und fühlen selbst in diesen Zusammenhängen. Später, mit dem Annähern an die Pubertät wird es immer wichtiger, die Dinge erklären und ergründen zu können oder Abläufe präzise zu verstehen, wiedergeben und darstellen zu können.1 Man könnte sagen, die Zeit des Hinterfragens bricht an, und in dieses Denksystem passen die Märchen vermeintlich nicht mehr wirklich.
Märchen sind ursprünglich für die Erwachsenen gedacht
Wissenswert ist, dass erst die Gebrüder Jacob und Willhelm Grimm (1785-1863), die vielleicht berühmtesten Märchensammler überhaupt, die Märchen in die Kinderstube brachten.2 Sie waren frühe Volkskundler während der Epoche der Romantik. Als Forscher waren die Grimms auf der Suche nach dem Ursprünglichen. Ihr Interesse galt daher Land und Leuten sowie deren Sitten und Bräuchen, denn dort sahen sie «das Ursprüngliche» erhalten. Sie fingen also an, mündlich überlieferte Märchen und Gesänge zu verschriftlichen. Daraufhin schrieben sie auch neue Fassungen für Kinder, in ihrem erzieherischen Stil, der bis heute das Bild vom Märchen prägt.3 Davor waren die Erwachsenen die Hauptadressaten, seit den Grimms sind es die Kinder – eine interessante Entwicklung.
Mir geht es am Ende darum, von Alterszuschreibungen wegzukommen und Räume zu schaffen, wo wir das logische Denken hinter uns lassen dürfen (und manchmal müssen), um von innen heraus zu verstehen. Und: Ich arbeite gerne mit Erwachsenen, da ich die reichhaltigen Gespräche mit ihnen im Anschluss an ein Märchen besonders schätze.
- Entwicklungspsychologische Auslegung nach Jean Piaget (1896-1980), Schweizer Biologe und Pionier der Entwicklungspsychologie ↩︎
- Ich verweise auf Heinz Rölleke, einen Forscher, der ganz ausführlich über die Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte der Grimmschen Märchen berichtet ↩︎
- Ich stütze mich auf eine Vorlesung an der Universität Zürich im 2010, gehalten von Prof. Dr. Ueli Gyr Emeritus (Volkskunde) ↩︎